Soll ich – oder soll ich nicht?

 

Die Winterfütterung für die heimischen Wildvögel ist unter Naturschützern nach wie vor ein kontrovers diskutiertes Thema. Fazit: Jeder soll bei Einhaltung einiger Regeln das aus seiner Sicht Richtige tun.

 

Blaumeisentrupp an einem Nuss-Netz
Blaumeisentrupp an einem Nuss-Netz

 „Alle Jahre wieder...“ – kommt nicht nur das Christuskind. Nein, alle Jahre wieder stellen sich die Naturschützer die Fragen: „Soll ich nun im Winter (oder sogar ganzjährig) die bei uns heimischen Gartenvögel füttern oder soll ich nicht?“ „Schadet eine Fütterung während der Wintermonate den Tieren oder ist sie von Nutzen?“ Zwei Lager gibt es: Die einen halten eine Fütterung für überflüssig, die anderen befürworten sie. „Die Winterfütterung ist eigentlich kein Naturschutz. Vögel wurden über Jahrtausende hinweg nicht gefüttert, was ihnen allem Anschein nach nicht geschadet hat“, sagen die Gegner und führen weiter aus: „Im Gegenteil, die Fütterung begünstigt nur Standvögel, die das ganze Jahr über bei uns im Garten zu sehen sind. Und wenn im Frühjahr die Zugvögel zurückkommen, dann sind meist schon die besten Reviere von den zu Hause durchgefütterten Tieren besetzt“. Eigentlich würde ihrer Meinung nach nur der Handel von einer Winter-Vogelfütterung profitieren. Der habe sich natürlich darauf eingestellt. Er propagiert eine Vielzahl an Futtermitteln und natürlich auch Fütterungs-Geräten. Jährlich würde die Branche viele Millionen Euro umsetzen.

 

Die Befürworter hingegen führen an, dass in heutiger Zeit eine Winterfütterung durchaus gerechtfertigt sei. „Vielerorts haben sich während der vergangenen Jahrzehnte die natürlichen Bedingungen für viele Vogelarten rapide verschlechtert. Die Vernichtung natürlicher Lebensräume und damit verbunden auch das knapper werdende Nahrungsangebot macht sich am Rückgang einer Reihe bei uns vorkommenden Vogelarten bemerkbar“, argumentieren sie. Insbesondere bei den Feld- und Wiesenvögeln verzeichnen die Feldornithologen einen eklatanten Rückgang von Anzahl und Arten. Derjenige, der füttert, wirkt nach Überzeugung der Fütterungs-Befürworter zumindest bei den Gartenvögeln diesen Gegebenheiten entgegen. Gerade den Kindern bereite es eine große Freude, den Vögeln am Futterhaus zuzusehen und auch die Art zu bestimmen. So kann eine Winterfütterung durchaus als ein Mittel betrachtet werden, Kindern die Natur etwas näher zu bringen. 

 

Aber alle Lager, sowohl Fütterungsgegner als auch Befürworter, sind sich darin einig: Wesentlich besser wäre es, den Schutz der Lebensräume vorne an zu stellen. Öde Feldlandschaften ohne Wegraine, Hecken, Sträucher und Einzelbäumen tragen letztendlich mit dazu bei, dass die Nahrungsquellen der heimischen Wildvögel immer mehr und immer schneller versiegen. Das trifft auch auf die Gärten zu. Wo sind sie die naturnahen Gärten, in denen im Winter die Samenstände der Stauden stehen  bleiben, in denen Laubhaufen angehäuft werden, worin sich Insekten aufhalten, die wiederum den Vögeln als Nahrung dienen? Statt dessen herrscht in den meisten Hausgärten Sterilität vor. „Grüne Wüsten mit übermäßig gepflegtem Rasen, auf dem selbst ein Gänseblümchen, geschweige denn nektarreiche Wildblumen ein Störfaktor sind, die es auszumerzen gilt, sind heute sogar schon in den Dörfern fast eine Normalität“, so die Vogelschützer.

 

Hier sollte ihrer Meinung nach vonseiten der Naturschutzverbände auf ein Umdenken in der Bevölkerung hingewirkt werden. Es ist ein leichtes, den eigenen Garten naturnah zu gestalten, so die Naturschützer. Mit Beeren tragenden Sträuchern oder Bäumen (u.a. Schwarzer Holunder, Eberesche, Stechpalme, Pfaffenhütchen, Wildrosen, Feuerdorn, Berberitze, Kornelkirsche) im Garten ist ihre Ansicht nach schon mal ein erster Schritt in die richtige Richtung getan. Abgeblühte Stauden sollten erst im Frühjahr entfernt werden, denn der in ihnen vorhandene Samen dient den Vögeln als Nahrung. Zudem sehen die abgeblühten Pflanzen hübsch aus. Auch Laubschichten, in denen sich Insekten aufhalten, sind den Vögeln dienlich.

 

Allen sollte bewusst sein, dass den Vögeln eine wichtige Funktion im Naturhaushalt zukommt. Sie sind natürliche Schädlingsbekämpfer. Sie sind den für Mensch und Tier gefährlichen chemischen Giften vorzuziehen. Manch ein Bauer könnte sich Geld sparen, wenn er, statt zur chemischen Mäusevernichtungskeule zu greifen, auf seinem Feld einige Dreibeine aufstellen würde, die von Greifvögeln gerne als Ansitz angenommen werden. Wer im Winter regelmäßig die Vögel mit Futter sorgt, wird erreichen, dass sie auch während der Sommermonate im Garten oder auf Feld und Wiese nach Nahrung suchen. Anpflanzungen, die für die Vögel tabu sind, lassen sich durch Fliese oder Ähnlichem vor Vogelfraß schützen.

 

Wissenschaftliche Studien, die in Großbritannien und in skandinavischen Ländern vorgenommen wurden, führten zu dem Ergebnis, dass die Winterfütterung den Vögeln durchaus nützt. Für all diejenigen, die sich also für das Füttern entscheiden, gilt:

 

 

  • In erster Linie dann füttern, wenn die Temperaturen dauerhaft unter die 0-Grad-Marke gesunken sind oder wenn extreme Wetterlagen herrschen (geschlossene Schneedecke, Eisregen, Dauerfrost);

     

  • Futterstellen sind wind- und regengeschützt einzurichten. Eine Gefahr durch Katzen oder in der Nähe befindliche Fensterscheiben sollte verhindert werden, ein freier An- und Abflug sollte gewährleistet sein;

     

  • Futterstellen/-plätze sind sauber zu halten, denn Futterstellen können auch Seuchenherde sein;

     

  • den Vögeln auf keinen Fall Essensreste geben, dazu zählen auch Brot oder Käse, denn alle menschlichen Nahrungsmittel sind gesalzen oder gewürzt oder sonst wie behandelt, was sich auf die Vögel schädlich auswirkt;

     

  • den unterschiedlichen Bedürfnissen der Vögel Genüge tun, Weichfutterfresser mögen u.a. Haferflocken, Kleie, Rosinen, Obst. Körnerfresser sind mit Sonnenblumenkernen oder im Handel (Mühlen) erhältlichen Futtermischungen oder Knödeln zu füttern. Selbst-verständlich kann man auch selbst Mischungen herstellen, die meist aus Rindertalg und den entsprechenden Zutaten bestehen. In Blumentöpfe oder auch in halbe Kokosnussschalen gefüllt und kopf- über aufgehängt sind sie ein beliebter Anflugpunkt für die Vögel.

 

 

Tipps für Eulenfans:

 

Eulen leiden bei lang anhaltender geschlossener Schneedecke, die womöglich noch gefroren ist, besonders unter Nahrungsmangel. Viele verhungern während schneereicher Wintermonate. Schleiereulen, Waldohreulen und Käuze sind besonders auf Mäuse angewiesen. Sie sind ihre Hauptnahrungsquelle. Bauern können im Winter den Tieren mit einfachen Mitteln unter die Flügel greifen: Sie sollten das Scheunentor etwas offen stehen lassen, damit Eulen einfliegen und in den Scheunen dem Mäusefang nachgehen können. In der Nähe von bekannten Brutplätzen kann man auf einigen Quadratmetern Boden den Schnee entfernen. Die Fläche wird mit Körner abgestreut, darüber wird eine Lage Stroh gelegt, was Mäuse anlockt, die dann von Eulen gejagt werden können, denen man evtl. auch noch Sitzstangen aufstellt. Neben den Eulen profitieren davon auch Turmfalken und Bussarde.

 

 

Literatur (Auswahl):

 

"Vögel füttern – aber richtig", Peter Berthold & Gabriele Mohr, Kosmos.
"Vögel am Futterhaus", Michael Lohmann, BLV.
"Vogelfutterpflanzen", Hermann Schnabl, Arndt-Verlag.

 

Text: NABU/Franz-Josef Dosio. Bild: NABU/Josef Drefs.

 

 

 

Auch Hecken­braunel­len lassen sich an Winterfüt­terungen sehen.

 

Bild: NABU/Karl-Heinz Euskirchen.

 

 

Der Bunt- specht ist an Winter­fütterun­gen ein regelmäs­siger Gast.

 

 

Bild: NABU/Karl-Heinz Euskirchen.

 

Etwas sel­tener an Winterfüt­terungen zu erblik­ken: Der Erlenzeisig.

 

 

Bild: NABU/Karl-Heinz Euskirchen.